Recording und Equipment

Die Methodik

Ihr habt einen Raum, ihr habt die Technik, alles miteinander verkabelt, das Aufnahmeprogramm nach Anwenderhandbuch konfiguriert, den Beat in das Programm importiert und dreht vollkommen durch, weil ihr gleich mit eurem Text die ganze Szene niederbrennen werdet! Ausgezeichnet! Die Einstellung stimmt! Legen wir los…

Take 1. Ihr rappt den Text soweit, wie euch die Luft dazu reicht. Lieber den Take – also die Aufnahme – etwas kürzer halten, als unter Luftnot einrappen. Ok. Fertig. Ihr hört euch den ersten Take an und habt den Wunsch euch nie mit der Materie auseinandergesetzt zu haben und euer Equipment direkt wieder zu verkaufen. Diesen Wunsch zu hegen, ist aber alles andere als verwerflich, da wohl jedem dieser Gedanke nach dem ersten Take durch den Kopf geht. Doch woran liegt das? Da wäre zum einen, dass ihr euch das erste Mal selbst hört. Daran müsst ihr euch erst einmal gewöhnen. Zum anderen habt ihr den ersten Take sicherlich ohne Druck in der Stimme recordet, weshalb dieser nicht wirklich satt klingt. Eine druckvolle Stimme erzeugt man, indem man aus dem Bauch heraus spricht. Spannen sich die Bauchmuskeln beim Sprechen an, seid ihr auf dem richtigen Weg. Selbstverständlich variiert ihr den Druck mit dem Inhalt eures Textes und der Atmosphäre des zugrunde liegenden Instrumentals.

Ein weiterer Grund, der dazu führt, dass sich der erste Take nicht gut anhört, ist, dass er noch nicht abgemischt ist. Dafür existiert leider kein Patentrezept. Ihr müsst nach und nach herausfinden, wie ihr da euer Optimum herausholt. Sinnvoll zur Findung dessen ist die Zuhilfenahme eines Referenztracks, der mit einer ähnlichen Stimmung daherkommt, wie ihr sie gern hättet. An diesem Track versucht ihr durch das Abmischen, akustisch so nah wie möglich heranzukommen. Den eigentlichen Vorgang des Abmischens realisiert ihr Step by Step. Ihr schaut also mit jeder Veränderung, die ihr vornehmt, ob sich die Qualität eurer Tonspur in die gewünschte Richtung ändert oder nicht. Habt ihr für den Equalizer bspw. die bestmögliche Konfiguration gefunden, geht ihr zum nächsten Werkzeug und optimiert dessen Einstellung wiederum. Je nachdem welche Software ihr verwendet, ist euch vielleicht aufgefallen, dass die Palette an Werkzeugen, die euch zur Verfügung stehen, kein wahrnehmbares Ende bietet. Daher haben wir nachfolgend eine kleine Liste zusammengestellt, die euch Instrumente aufzeigt, mit denen ihr eure Tonqualität am maßgeblichsten steigern könnt:

Die Anwendung dieser Werkzeuge kann direkt über den Signalweg (Insert) als auch über die Erstellung einer Zweitspur, welche anschließend zur Originalspur gemischt wird (Send), erfolgen. Für euch bedeutet das konkret, gewisse Einstellungen bereits im Vorfeld der Aufnahme tätigen zu müssen (Insert), andere wiederum erst danach (Send).  Der Insert-Einsatz wird im Übrigen für Werkzeuge empfohlen, welche überhalb der obrigen Trennlinie zu finden sind. Das Ensemble unterhalb der Trennlinie findet hingegen meist nach der Aufnahme Anwendung. Habt ihr einmal eure optimalen Einstellungen gefunden, sollten diese gepeichert oder notiert werden, da ihr bei zukünftigen Takes – in erster Linie für Insert-Effekte – nur geringfügig Änderungen vornehmen müsst.

Weiter im Takt. Der erste Take steht – druckvoll eingerappt, sauber ausgesprochen und ordentlich abgemischt. Ihr habt euch während der Konfiguration eurer Effekte an eure Stimme gewöhnt und wollt nun den weiteren Text recorden. Da ihr keine Marathonläufer seid, habt ihr allerdings nur zwei Bars von der Luft her geschafft. Kein Problem. Mit dem nächsten Take rappt ihr einfach das Ende der zweiten Zeile noch einmal mit. Anschließend sucht ihr euch eine Stelle innerhalb der sich überschneidenden Bereiche, welche idealerweise absolut still ist (Frequenzkurve schlägt nicht aus). An besagter Stelle tätigt ihr einen Schnitt in beiden Spuren. Infolgedessen entfernt ihr das überstehende Ende von Take 1 und den überstehenden Anfang von Take 2, so dass ihr einen lückenlosen Übergang erhaltet. Nun kann Take 2 identisch zu Take 1 abgemsicht werden. Schauen wir mal, ob das geklappt hat: Beat muten – also lautlos stellen – und den Übergang prüfen. Hören sich die zwei Takes durchgerappt an, könnt ihr das so lassen. Nehmt ihr hingegen ungewollte Flowdifferenzen, durch den Schnitt entstandene Störgeräusche, Druckunterschiede oder andere etwaige Disharmonien wahr, könnt ihr versuchen euch eine andere Schnittstelle zu suchen oder per Fader die Übergangslautstärke der Takes zu regulieren. Bringt das alles nix, ist der zweite Take leider nochmals zu recorden.

Nach diesem Prinzip arbeitet ihr euch bis zur Hook vor. Diese sollte sich akustisch von einzelnen Parts abheben, sei es durch einen melodischeren Flow, einem ausgeprägter angewandten Chorus- oder Reverb-Effekt oder dem sog. Vocal-Overdubbing. Letzteres impliziert, dass mehrer Takes des gleichen Textabschnittes übereinander gelegt und ggf. unterschiedlich betont oder abgemischt werden. Nach gleichem Prinzip werden Stellen innerhalb der Parts, welche wie Reime bspw. besonders herausstechen sollen,  gedoppelt bzw. je mit einem leiser abgemischte Take unterlegt.

Um eurem Track noch das i-Tüpfelchen aufzusetzen, könnt ihr abschließend noch ein paar Addlips wie „yeah“, „ah“ oder „Oarschluch!“ sowie Soundeffekte à la Kalaschnikow, Meeresrauschen, Vogelzwitschern etc. in die Spuren setzen. Allerdings sollte deren Verwendung in einem gewissen Rahmen sowie dezent und unter Berücksichtigung von Text und Stimmung erfolgen. Bevor ihr euch allerdings mit eurem Equipment nach Syrien begebt, um an die authentische Soundkulisse einer AK47 zu kommen, empfehlen wir euch einen Besuch auf findsounds.com, wo ihr sicher einen passenden Addlip für euren Track finden werdet.

Alle Spuren gleichlaut? Die Übergänge sind sauber? Liegen die gedoppelten Spuren sauber übereinander? Keine Störgeräusche vorhanden? Der Track klingt von der Qualität ähnlich wie euer Referenztrack? Last but not Least – sagt euch zu, was ihr da hört? Solltet ihr alle Fragen mit ja beantworten können: SPUREN DOWNGEMIXED! FERTIG! WUHUUUU!

Ein ordentliches Stück Arbeit liegt hinter euch. Habt ihr es bis hierher geschafft, könnt ihr wahrlich stolz auf euch sein. Zur Motivation: Von Mal zu Mal werden euch die Tracks spürbar besser von der Hand gehen. Habt ihr euch ein gewisses Know-How aneignen können, benötigt ihr lediglich einen Bruchteil der Zeit, welche die Erstproduktion in Anspruch genommen hat.

Abschließend möchten wir noch ein paar kleine Tipps geben, die euch während des gesamten Produktionsprozesses durchaus hilfreich sein können:

  • Die Handhabung des Equalizers erfolgt idealerweise nur durch das Absenken von Frequenzbändern, um Übersteuerungen vorzubeugen.
  • Die Anwendung von Effekten sollte in einem gewissen Rahmen erfolgen, damit die Stimme nicht unnatürlich wirkt.
  • Die Wiedergabe des Mixes sollte während des Mischens über möglichst viele Ausgabegeräte abgespielt werden, da bei basslastigen Anlagen bspw. schnell mal eure Stimme untergeht.
  • Kommt ihr beim Abmischen nicht weiter, dann schlaft eine Nacht darüber. Mit voller Konzentration hört sich der Mix dann gleich wieder anders an.
  • Recordet keinen Party-Track, wenn ihr gerade down seid und umgekehrt.
  • Den Überblick behalten! Leichter gesagt als getan, da während des Aufnahmeprozesses schnell mal 100 Takes zusammenkommen. Habt ihr euch für einen entschieden, löscht die, die ihr nicht mehr benötigt.
  • Unzufrieden mit einem Take? Nicht lange daran herumfeilen – neu recorden.
  • Aufnahmen sollten die 0 db Marke nicht übersteuern.

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