Rappen lernen

Was reimt sich auf…?


Reime: Ein Beitrag zum Reimstart.

 „[…] ich mache Scheine, scheine, indem ich Reime reime so wie Heinrich Heine“
Samy Deluxe – Poesiealbum

„Was reimt sich auf… ?“ Diese Frage hat sich sicher jeder schon einmal gestellt. Sollte das der Fall sein, dann wisst ihr vielleicht auch schon, dass man sich zur Lösung dieser Frage diverser Reimtypen bedienen kann.

Der wichtigste Reimtyp beim Rappen ist die sog. Assonanz. Diese Art und Weise des Reimens ist gekennzeichnet, durch die Synchronität bzw. der Übereinstimmung von Vokalreihenfolge in den Reimwörtern. Ein Beispiel:

Tasche / Pflanzen. – Vokalreihenfolge: 1.) „a“ 2.) „e“

Sicher denken jetzt einige: „Moment, klingt ja absolut beschi****“. Richtig. Tut es auch. Der Grund dafür ist, dass wir lediglich zwei Vokale im Reim enthalten haben und darüber hinaus die phonetischen Eigenheiten bzw. den Klang der Vokale nicht berücksichtigen – ein „E“ bspw. klingt nämlich keinesfalls immer gleich. Das klingt mal wie ein „Ä“, wenn bspw. ein doppelter Konsonant darauf folgt, dann klingt es mal fast wie ein „A“, wenn ein „R“ nach ihm steht, und wenn es sich bspw. vor einem „L“ einreiht, verliert es beinahe seinen kompletten Klang.

Wollen wir nun das Klangbild unseres Reimes verbessern, so wäre es einerseits überlegenswert, das Reimwort um weitere Vokale zu ergänzen, wodurch der gefühlte Klang aller bereits vorhandenen Vokale etwas verwaschen wird, andererseits können wir die Wahrnehmung unserer Hörer überlisten, indem wir einfach nur versuchen, die letzten Vokale unserer Reimwörter exakt gleichklingen zu lassen. Umso länger der Reim, desto besser funktioniert dieser Trick übrigens.  Wir entfernen also den letzten Buchstaben in „Pflanzen“ und ergänzen zusätzlich:

Reisetasche / Seiden-pflanze.

Hört ihr was passiert ist? Klingt doch gleich viel besser. Das Klangbild haben wir etwas verwaschen und den Klang des letzten Vokals in beiden Wörtern aufeinander abgestimmt. Wir haben hier zwei viersilbige Substantive bzw. Nomen, was definitiv ein gutes Reimniveau darstellt und sich durchaus sehen lassen kann.

Natürlich ist es nicht immer leicht, einen Reim zu finden, welcher vier oder mehr Silben beinhaltet und auch inhaltlich in den Text passt bzw. nicht zweckgereimt ist. Dahergreifen viele, auch etablierte Rapper bevorzugt auf die „unreine Assonanz“ zurück. Bei dieser Art zu reimen, werden Vokale in der Wortmitte außen vor gelassen. Wieder ein Beispiel:

Zahnorthopäde / Marktforschungsthese.

Allerdings sollte man es mit der Verwendung von sich nicht reimenden Vokalen in Maßen halten, da sich dies sonst negativ auf das Klangbild des Reimes auswirkt. Als Faustregel könnt ihr euch merken: Maximal 1/3 der Vokale im Reim dürfen unsauber sein. Haltet ihr euch daran, erreicht ihr akustisch ein annäherndes Klangbild, wie bei einem sauberen Reim, eurer Reimpool allerdings vergrößert sich dadurch immens. Tipp: Sind aufeinander gereimte Vokale unsauber, klingen aber ähnlich, wie „o“ und „u“ in unserem Beispiel, steigert dies nochmals das Klangbild des Reimes.

Abgerundet wird der Reim schließlich beim späteren Recording, da ihr im Rahmen dessen versucht, die Reimwörter möglichst identisch zu betonen.

Selbstverständlich müsst ihr nicht immer Substantive aufeinander reimen (macht aber den besten Eindruck), sonder könnt auch Wordgruppe auf Wordgruppe, Substantiv auf Wordgruppe, Wordgruppe auf Substantiv und demnach auch Verben, Adjektive und jegliche andere Wortarten verwenden. Auch die Reimstruktur könnt ihr frei wählen und Reime verketten und kreuzen so oft ihr wollt. Wichtig ist, wie bereits erwähnt, dass der Inhalt eures Textes nicht darunter leidet. Um ein Gefühl für Reime und Reimstrukturen zu bekommen, empfehlen wir euch, den ein oder anderen Text von Kollegah, Shindy oder Ali As durchzulesen, da deren Texte durchaus als Exempel der hohen Reimkunst herhalten können. Genretypische Reimschemata findet ihr hingegen bei Megaloh, Kool Savas und vielen anderen.

Praxistipp 3: Einen passenden, anspruchsvollen Reim finden.

An sich gibt es dafür kein Patentrezept. Jeder Künstler macht das nach gewisser Zeit auf seine eigene Art und Weise. Eine gute Methode für Anfänger möchten wir euch jedoch nicht vorenthalten.

Wie bereits im Abschnitt „Inhalt“ gelernt, haben wir uns zunächst Gedanken über die Text-Thematik gemacht. Wir möchten noch immer ein Sommerlied verfassen, und haben schließlich die erste Zeile formuliert:

Ladys & Gentleman, herzlich willkomm‘,

Steht das Thema und die erste Zeile, muss anschließend der Reim abgegrenzt werden. Ich persönlich bin immer bestrebt, mindestens vier Vokale in den Reim aufzunehmen. „Herzlich willkomm'“ beinhaltet vier Vokale – nehmen wir. Wir fragen uns also: Was reimt sich auf „herzlich willkomm'“? Um dies zu beantworten, definiere ich als nächstes die Wortart, in der ich meinen Reim suche. Wie bereits erwähnt, machen Substantive den besten Eindruck, weshalb ich ein solches präferiere. Sollte ich kein Substantiv finden, das sich inhaltlich integrieren lässt, muss ich meine Ausgangszeile umformulieren oder auf eine Wortgruppe ausweichen. Randnotiz: Haltet euch möglichst nicht länger als 15 Min mit der Suche nach einem bestimmten Reim auf, da euch das wertvolle Konzentration, Nerven und auch den Spaß am Schreiben kostet. Nutzt stattdessen eine der genannten Optionen, haltet aber Abstand von Zweckreimen!

Schreibt den Reim auch in Abhängigkeit davon, wie ihr das Ende der entsprechende Zeile, in der ihr euch gerade befindet, flowen wollt. Damit kann gezielt gesteuert werden, was der Hörer überhaupt als Reim wahrnimmt. Denn handelt es sich dabei nur um zwei Silben, braucht ihr keinen fünfsilbigen Reim suchen. Ein gutes Beispeil dafür ist die Reimkette von Megaloh im Track „Epochalität„. Hört euch mal die Reimkette ab Minute 3.43 an. Da flowt der Interpret gezielt so, dass er den Fokus auf zwei Silben setzt „ein Schaf“, einschlaf“, „sein darf“. Reicht, bedingt durch die Betonung, in diesem Fall vollkommen aus. Hört euch mal ein paar weitere Tracks an und versucht wahrzunehmen, wie die Reimkomplexität mit dem Flow des Künstlers variiert.

Gut – die Grundvoraussetzungen sind gelegt, jetzt beginne ich mit dem Reimen. Dafür trenne ich den Reim zunächst in zwei Teile – „herzlich“ und „willkomm'“. Nun überlege ich mir, was sich alles auf „herzlich“ reimt, indem ich das Wort immer wieder ein bisschen vernuschelt vor mir her sage und nach Lust und Laune ein paar Buchstaben vertausche, weglasse oder hinzufüge. Dabei lasse ich mich auch gern von meiner Tastatur inspirieren. Die Resultate dieser Prozedur notiere ich mir währenddessen:

Herzlich /// Schwertfisch, wertig, sterblich, serbisch, Lehrstück, Meerblick, Werktisch usw.

Jetzt schaue ich, welche Reime inhaltlich in mein Sommerlied passen und schreibe auf meinen Zettel „Schwertfisch“ und „Meerblick“. Nun wiederhole ich das Ganze für den zweiten Teil des Reimes:

Willkomm‘ /// Liaison, Vietkong, Binom, Peepshow, Friedhof, Kino, Tierhof, Gido, Skiort usw.

Belassen wir es zunächst bei den gefunden Reimen. Jetzt versuchen wir zu kombinieren – leichter gesagt als getan. Offensichtlich lässt sich lediglich der „Schwertfisch-Friedhof“ einigermaßen sinnvoll zusammensetzen. Ein Schwertfischfriedhof wird allerdings nur selten mit sommerlicher Atmosphäre assoziiert, was über die Klangunterschiede der letzten Silben „-hof“ und „-komm“ leider nicht hinwegsehen lässt. Der Reim erweist sich also in allen Belangen als untauglich.

Wir haben aber noch ein Ass im Ärmel – die unsaubere Assonanz, welche unseren Reimpool erweitert. Wir erinnern uns, dass maximal 1/3 der Vokale unsauber gereimt werden dürfen. Unser „herzlich willkomm'“ besteht aus vier Vokalen, was bedeutet, dass wir uns über 4 x 1/3 = 1,3 Vokale keine Gedanken machen brauchen. Moment – 1,3 Vokale? Gibt es selbstverständlich nicht. Da dies aber die Grenze ist, die wir nicht überschreiten dürfen, runden wir auf einen Vokal ab. Da sich „Schwertfisch“ und „Meerblick“ sauber auf „herzlich“ reimen, haben wir also einen „Vokal-Freischuss“ im zweiten Teil des Reimes. Wir reimen erneut:

Willkomm‘ /// Enton, Balkon, Kamp One, Methorn, Techno, Plankton, Kurort, Zahngold usw.

In der Regel macht ihr das dann so lange, bis ihr denkt, etwas passendes gefunden zu haben. Ich kombiniere jetzt wieder und mir fällt auf, dass der Meerblick-Balkon ein sinnvolles Wort ergibt und sich auch gut in meinen Kontext integrieren lässt. Nun weiß ich also, dass ich meine zweite Zeile mit „Meerblickbalkon“ beenden möchte und formuliere jetzt lediglich noch ein paar Worte davor:

„Ladys & Gentleman, herzlich willkomm‘,
in eurem schönen Urlaubszimmer, mit Meerblickbalkon“.

Schon haben wir die ersten Zeilen verfasst. War nicht schwer, oder? Der Vorteil an dieser Art und Weise der Reimfindung ist, dass ihr unmittelbar Futter für eine Kettenreimstruktur sammelt, welche sehr gut von den Hörern aufgenommen wird.

Üben könnt ihr das Reimen eigtl. in jedem Rap-Forum. Meist existieren da Threads mit dem Titel – „2 Reime / 4 Zeilen“ – oder ähnliche. Dort bekommt ihr vom letzten Post zwei Worte vorgegeben, auf die ihr dann vier Zeilen schreibt und ebenfalls wieder zwei Worte vorgebt. Macht Spaß und erhöht schnell eure Reimskills. Zur Motivation: Desto öfter ihr übt, desto schneller fallen euch entsprechende Reime ein.

Solltet ihr partout keinen Reim finden, der euren Anforderungen entspricht oder sich inhaltlich sinnvoll in euren Text integrieren lässt, dann probiert doch mal RHYM.ES aus – unseren hauseigenen Reimgenerator. Dieser kann eure Inspiration evtl. wieder in Fahrt bringen. Auch den Schwierigkeitsgrad eures Reims, könnt ihr anhand der Anzahl der Ergebnisse, die RHYM.ES euch liefert, grob abschätzen.

Doch kommen wir nun zum nächsten Kapitel – dem Flow.

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